Linksverkehr (German Edition) by Ute Gliwa

Linksverkehr (German Edition) by Ute Gliwa

Autor:Ute Gliwa [Gliwa, Ute]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-22T00:00:00+00:00


9

Ich hatte gehofft, die gesamte Strecke in einem Tag und einer Nacht bewältigen zu können, doch das entpuppte sich als ein Ding der Unmöglichkeit, denn ich verpasste das Schiff. Die nächste Fähre ging erst am nächsten Vormittag, und das kotzte mich ziemlich an, weil ich nun in diesem Dreckloch übernachten, das heißt, erledigt wie ich war, für die Nacht eine Bleibe suchen musste, anstatt während der Überfahrt auf dem Boot zu schlummern. Der Kopf brummte mir entsetzlich. Sechshundert Kilometer an einem Stück zurückzulegen, ist nicht die schonendste Aktivität auf der Welt, wenn man nicht gerade in einem luxuriösen Zug lümmeln und dabei ganz gemütlich ein Buch lesen kann. Zumal man sich dabei nicht ausschließlich mit dem Ortswechsel beschäftigt, sondern sich auch mit einem Sack voller Randbedingungen, Gedränge, Lärm, Staub, Hitze, Gestank et cetera, auseinandersetzen muss.

Meine Philosophie, und eine gewisse Notwendigkeit, bestand nun einmal darin, mich möglichst kostengünstig fortzubewegen. Mein kürzlicher Kassensturz hatte gezeigt, dass ich in den vergangenen Wochen vielleicht doch etwas über meine Verhältnisse gelebt hatte und dass, um noch vier Monate hier draußen überleben zu können, ich zukünftig ein bisschen kürzer treten müsste. Das Reisen konnte ganz schnell ein Kräftemessen mit meiner Börse, meiner Geduld und meinem Durchhaltevermögen werden, wenn ich nicht ungeheuer aufpasste.

Ich beschloss also zu trampen. Nach zweistündiger Busfahrt ließ ich mich direkt am Highway von Bangkok nach Süden, der einzigen Straße auf die Halbinsel, absetzen und baute mich an einem strategisch günstigen Flecken am Straßenrand auf. So früh am Morgen war ich noch frisch wie ein Tautropfen, meine Klamotten dufteten noch nach der Sonne des vergangenen Tages und nach Sauberkeit, ich strahlte die blanke Zuversicht aus, und die Hitze wagte noch nicht, mich anzurühren und mit Schweiß zu verkleben.

Trotz meines frohen Mutes war mir etwas mulmig bei der Sache, das war eine ganz andere Geschichte, als zu zweit per Anhalter zu fahren. Wenn ich an den Falschen geriete, könnte es das gewesen sein, niemand würde je herausfinden, was mir geschah, ob ich noch lebte oder nicht, ob ich nur aus Jux nichts mehr von mir hören ließe und wer weiß aus welchem Grund nicht zurückkam. Verdammt leichtsinnig, mich so völlig auf mich allein gestellt in die Hände eines Fremden zu begeben, während niemand anders wusste, wo ich mich befand, und mir würde helfen können. Mich nur auf meine Menschenkenntnis verlassend, beurteilen zu wollen, ob ich in dieses oder jenes Auto einsteigen könne oder nicht, das war schon beinahe eine Herausforderung an das Schicksal. Ich war mir des Risikos und der Gefahr, in die ich mich begab, vollkommen bewusst, aber genau das war meine Stärke, denn weder ignorierte oder verdrängte ich meine Ängste, noch befahl ich ihnen, still zu sein und sich gefälligst zu verpissen, sondern ich lauschte und gehorchte meinen Zweifeln, und aus alledem ergab sich dann meine fast unfehlbare Intuition, auf die ich ständig angewiesen war und der ich grenzenlos vertraute.

Manchmal nannte ich sie auch Schutzengel und glaubte dann mit feierlicher Inbrunst an dessen körperliche Existenz, an einen Typen mit Locken und Flügeln, der,



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